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Überbau durch einen Erweiterungsbau

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Voraussetzung für einen Überbau im Sinne von § 912 Abs. 1 BGB ist, dass bei der Errichtung eines einheitlichen Gebäudes über die Grenze gebaut worden ist. Ob ein einheitliches Gebäude vorliegt, muss unter Würdigung aller Umstände des Sachverhaltes beantwortet werden. Neben der körperlichen bautechnischen Beschaffenheit kommt es auf die funktionale Einheit an.

Liegt sachenrechtlich ein Überbau nach § 912 Abs. 1 BGB vor und hat der beeinträchtigte Grundstückseigentümer diesem zugestimmt (rechtmäßiger Überbau), fallen dem Überbauenden erst recht weder Vorsatz, noch Fahrlässigkeit zur Last, so dass der jeweilige Eigentümer des überbauten Grundstücks analog § 912 BGB den Überbau stets zu dulden hat und dem jeweiligen Eigentümer des Stammgrundstücks das Eigentum am überbauten Gebäudeteil und ein Recht zum Besitz an der überbauten Fläche zustehen. Darin liegt eine Verdinglichung der obligatorischen Zustimmung in Ansehung der Duldungspflicht, das heißt der Rechtsnachfolger im Eigentum an dem überbauten Grundstück hat die Überbauung nach § 912 Abs. 1 BGB zu dulden.

Ist ein Gebäudeteil nicht bei der Errichtung eines Gebäudes, sondern nachträglich durch Anbau an ein schon bestehendes Gebäude über die Grenze gebaut worden, findet § 912 BGB zwar keine unmittelbare Anwendung. Die Vorschrift ist aber Ausdruck eines allgemeinen Grundsatzes, welcher über den unmittelbar im Gesetz geregelten Fall hinaus auf ähnliche Tatbestände ausgedehnt werden kann. Sie will die mit der Beseitigung eines Überbaus verbundene Zerschlagung wirtschaftlicher Werte vermeiden, die dadurch entsteht, dass sich der Abbruch eines überbauten Gebäudeteils meist nicht auf diesen beschränken lässt, sondern zu einer Beeinträchtigung und Wertminderung auch des bestehen bleibenden, auf eigenem Grund gebauten Gebäudeteils führt. Zu diesem Zweck stellt § 912 BGB das Interesse an dem Erhalt der Gebäudeeinheit über das Interesse des Nachbarn an der Durchsetzung seiner Eigentumsrechte, sofern der Überbauer nicht grob fahrlässig oder vorsätzlich gehandelt und der Nachbar dem Überbau nicht sofort widersprochen hat. Diese Wertung kann grundsätzlich auch zum Ausgleich widerstreitender Interessen von Nachbarn herangezogen werden, die bestehen, wenn eine Grundstücksgrenze in Folge nachträglicher Veränderungen eines – zunächst innerhalb der Grenzen errichteten – Gebäudes überbaut wurde. Dabei ist eine entsprechende Anwendung von § 912 BGB nicht auf bestimmte Baumaßnahmen, wie die Erweiterung des vorhandenen Baukörpers, beschränkt. Bei Veränderungen eines bestehenden Gebäudes wird der Grundgedanke des § 912 BGB allerdings nicht in jedem Fall zum Tragen kommen und daher nicht stets von einem Überbau im Rechtssinne auszugehen sei. Dies gilt insbesondere bei nachträglich angefügten Gebäudeteilen, wie Fensterläden und Markisen, weil bei deren Beseitigung nicht von der Zerstörung wirtschaftlicher Werte gesprochen werden kann. Die Möglichkeit einer entsprechenden Anwendung von § 912 BGB hängt deshalb aber nicht von der Art der Baumaßnahme ab, sondern von den mit einem Rückbau verbundenen Folgen. Entscheidend ist, ob sich eine Beseitigung des Überbaus nicht auf diesen beschränken lässt, sondern die Gebäudeeinheit beeinträchtigt und auf diese Weise zwangsläufig zu einem Wertverlust der innerhalb der Grundstücksgrenzen befindlichen Gebäudeteile führt.

Bei einer Erweiterung des bestehenden Baukörpers ist Voraussetzung, dass das erweiterte Gebäude nun mit wesentlichen Teilen auf zwei Grundstücken steht. Ein Überbau liegt auch dann nicht vor, wenn nachträglich ein Anbau wie z.B. eine Garage errichtet wird, der vollständig auf dem Nachbargrundstück durchgeführt wird und ohne Nachteil für das Hauptgebäude abgerissen werden kann. Anders liegt es, wenn die Garage etwa in Folge eines gemeinsamen Hausdaches in den Baukörper des Gebäudes einbezogen ist und ein Abriß dann auch das sich innerhalb des Grundstücks befindliche Gebäude beeinträchtigt.

Landgericht Rostock, Urteil vom 25. November 2014 – 3 O 31/13


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